Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

3. Phänomenologie des Hörens

3. Phänomenologie des Hörens

Phänomenologie (von griech. phainómenon = Erscheinung und lógos = Wort, Lehre) ist dem Wortsinn nach die Wissenschaft von den Erscheinungen. Die Phänomenologie des Hörens beschäftigt sich also mit denjenigen Aspekten der auditiven Wahrnehmung, bei denen wir etwas zu hören scheinen, das unabhängig von unserer Wahrnehmung nicht bzw. anders existiert. Der Nachweis, dass bestimmte Wahrnehmungen illusorische Konstrukte sind, ist aber nicht mit Falsifikation (von lat. falsificare = falsch machen, als unrichtig erweisen) zu verwechseln! Wir müssen uns klarmachen, dass jene Wahrnehmungskonstrukte notwendig sind, damit wir uns in der Welt der alltäglichen Erfahrungen – die Phänomenologen sprechen von "Lebenswelt" – überhaupt zurechtfinden. Für unsere lebensweltliche Orientierung macht es z.B. wenig Sinn, wenn wir statt vom "Aufgehen" oder "Untergehen" der Sonne streng wissenschaftlich von "Erdrotation zur Sonne bzw. weg von ihr" sprächen. Die Phänomenologie wird deshalb auch als "First Person Science" bezechnet. Im Unterschied zur "Third Person Science" der Naturwissenschaften, die das wahrnehmende Subjekt objektivierendend auszuklammern versucht ("es verhält sich so und so..."), beobachtet sie die Welt unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Erfahrung ("ich sehe", "ich höre" etc.).

Für eine Medienästhetik des Klangs sind insbesondere die folgenden drei Aspekte der Phänomenologie des Hörens relevant:

• Auditive Gestaltwahrnehmung: Wie die visuelle Wahrnehmung, so versucht auch die auditive Wahrnehmung automatisch in sensorischen Darbietungen bestimmte "Gestalten" zu erkennen. Dies lässt sich, analog zu den optischen Illusionen, an akustischen bzw. musikalischen Illusionen gut beobachten (3.1);


• Auditive Schemabildung: Neben der Gestaltwahrnehmung, die bei allen Menschen tendenziell gleich ist, arbeitet unser Gehirn auch mit "Schemata", die ebenfalls heuristische (von griech. heuriskein = auffinden ‚entdecken) Funktion haben, aber je nach individueller und kultureller Erfahrung unterschiedlich sein können. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die biographische Erinnerung (3.2).

• Auditory Scene Analysis (ASA): Auditive Gestalten und Schemata sind gemeinsam Teil eines Funktionszusammenhangs auditiver Wahrnehmung, der uns das aufmerksamkeitsgesteuerte Analysieren einer komplexen Hörsituation (auditory scene) ermöglicht, um einzelne "Ströme" herauszufiltern (3.3).

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