Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

3. Phänomenologie des Hörens

3.2 Auditive Schemabildung

Der Begriff "Gestaltgesetze" bringt zum Ausdruck, dass die von ihnen beschriebenen Wahrnehmungsvorgänge zwangsläufig sind. Ebensowenig, wie wir uns z.B. dem Naturgesetz der Schwerkraft entziehen können, können wir uns den Gestaltgesetzen der Prägnanz, der Nähe, der Ähnlichkeit etc. entziehen. 

Freilich kennt die menschliche Wahrnehmung nicht nur solche Zwangsläufigkeiten. Wie wir die Welt wahrnehmen, hängt auch von persönlichen Erfahrungen und kulturellen Prägungen ab. Für diese kontextabhängigen Wahrnehmungsmuster hat sich der Begriff "kognitives Schema" eingebürgert.

Auch unsere kognitiven Schemata funktionieren als Heuristiken, die in der Mannigfaltigkeit der Sinneseindrücke automatisch nach vertrauten Ordnungsmustern suchen. Dass sie aber individuell verschieden sein und auf wechselnde Kontexte variabel reagieren können, wird im folgenden für den Bereich der auditiven Wahrnehmung an einigen eminenten Fällen demonstriert:
• dem "Triton-Paradox" (3.2.1),
• dem "Heraushören" von Melodien (3.2.2)
• und der "enharmonischen Verwechslung" (3.2.3).

Alle drei lassen sich auf vorgängige Hör-Erfahrungen zurückführen, mithin auf auditive Erinnerungen, die das Langzeit-, das Arbeits- und das Kurzzeitgedächntnis beanspruchen (3.2.4).

Es gibt aber auch eine Form des Hörens, die so unmittelbar auf situative Gegebenheiten reagiert, dass sie nicht mehr gut als Erinnerungsfunktion erklärt werden kann: der "Cocktail-Party-Effekt" (3.2.5).

Dieser bildet den Ausgangspunkt für Untersuchungen, die schließlich dazu geführt haben, eine dritte Kapazität neben auditiver Gestaltwahrnehmung und auditiver Schemabildung zu postulieren: die Auditory Scene Analysis (3.3). 

3.2 Auditive Schemabildung3.2 Auditive Schemabildung
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