Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

3. Phänomenologie des Hörens

3.1 Auditive Gestaltwahrnehmung

Dass unsere Wahrnehmungen nicht einfach aus Sinneseindrücken bestehen, sondern aus deren selektiver Gruppierung zu "Gestalten", die sich automatisch nach bestimmten Ordnungsprinzipien konstituieren, ist schon lange vor Bregmans Forschungen zur Auditory Stream Segregation erkannt worden. Der Philosoph Christian von Ehrenfels formulierte sie in seiner Arbeit Ãœber "Gestaltqualitäten" (1890) und begründete damit die "Gestaltpsychologie", deren Erkenntnisse über fundamentale Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung bis heute Gültigkeit beanspruchen können. 

Obwohl schon von Ehrenfels die Grundfunktion der Gestaltwahrnehmung an einem musikalischen Beispiel erläuterte – nämlich der Wahrnehmung einer Melodie, die unabhängig von den einzelnen Tönen (ihrer Klangfarbe und Stimmlage) funktioniere, solange die "Gestalt" ihres Beziehungsgefüges erhalten bleibe – hat sich die Gestaltpsychologie bis heute fast ausschließlich auf visuelle Phänomene konzentriert. Es lässt sich jedoch zeigen, dass die Gestaltgesetze, die in Bezug auf das Sehen formuliert wurden, auch für das Hören gelten. Freilich gilt es dabei zu berücksichtigen, dass die auditive Wahrnehmung im Unterschied zur visuellen zeitlich statt räumlich dimensioniert ist.

In diesem Unterkapitel behandle ich die für die Auditory Scene Analysis (ASA) wichtigsten Gestaltgesetze, indem ich deren Grundprinzipien zunächst an visuellen Beispielen erläutere, um dann ihre auditiven Entsprechungen aufzuzeigen.

3.1 Auditive Gestaltwahrnehmung3.1 Auditive Gestaltwahrnehmung
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