Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

4. Hörerzentrierte Klangforschung

4.2 Erwartungsdiskrepanz-Analyse

Feldmann, Matthias: Erwartungsdiskrepanz und emotionales Erleben von Musik; Hildesheim 1998.

4.2 Erwartungsdiskrepanz-Analyse

Wie wir gesehen haben, ist es durchaus lohnend, musikalische Motive auf ihre werkimmanenten und werkübegreifenden Wiedererkennungsfunktionen hin zu untersuchen, die nach Morton Feldman 1985 geradezu ihr Wesen ausmachen. Den Reichtum der dabei verwendeten musikalischen Formen (von denen das vorige Kapitel nur einen kleinen Ausschnitt präsentierte) erschlossen und detailreich interpretiert zu haben, ist zweifellos das Verdienst der musikwissenschaftlichen Motivanamnese. Sie hat dabei auch deutlich gemacht, dass die Anamnesis musikalischer Motive niemals eine bloße Reproduktion ihrer Vorläufer ist, sondern diese auf vielfältige Art variiert, wie es für episodische, lebens- und kulturgeschichtliche Erinnerungen kennzeichnend ist.

Der starke Fokus auf Erinnerungsfiguren allerdings hat in den Hintergrund geraten lassen, was für den ästhetischen Reiz des Musikhörens nicht weniger wichtig ist: der Bruch mit den aus Hörgewohnheiten gespeisten Erwartungen an die Fortsetzung eines Motivs (vgl die Gefühlskurve von Wundt: 2.4.2). Die Untersuchung dieses Phänomen, für das sich der Terminus "Erwartungsdiskrepanzanalyse" (vgl. Matthias Feldmann 1998) eingebürgert hat 

Grundlage der Erwartungsdiskrepanzanalyse ist die psychologischen "Diskrepanztheorie". Robert Jourdain (1997) hat sie auf das Feld der Musik übertragen und am Beispiel des Pink Panther-Themas erläutert (vgl. 4.2.2).

Die Bandbreite der Möglichkeiten, in musikalischen Aufführungen Erwartungsdiskrepanz herzustellen, beschreibt Juslin (2010):

Emotions may also be induced when musical expectations are violated in some way. It is easy to imagine this happening with respect to a music Performance. Hence, Meyer (1956) proposed that expressive variations in a musical Performance may serve an aesthetic function by 'delaying an expected resolution' , or simply 'creating psychological tension (p .206; see also Huron, 2006). Juslin (2001) noted that such effects can be achieved in different ways: for instance, a performer can enhance listeners 'emotional responses to the music by emphasizing certain notes that are of particular 'significance' in the music composition (Lindström , 1999), thereby enhancing violations of musical expectations that are already inherent in the structure. However, a performer could also induce emotions in listeners by performing in a manner that deviates from Performance Conventions with regard to the shaping of a particular structure. (477)


Q: 20

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