Peter Matussek

Historische Anthropologie der Animationstechnik

6. Die antike Philosophie der Animation

6.3 Die antike Schamkultur: Griechenland

Silen und Mänaden. Griechische Vase (um 500 v. Chr.)

Léon Gérôme: Phryne vor dem Areopag (1861)

Praxiteles: Aphrodite von Knidos (4. Jh. v. Chr.)


     

6.3 Die antike Schamkultur: Griechenland

Ob die Kultur der griechisch-römischen Antike gegenüber unserer heutigen schamhafter oder freizügiger war, ist in der Forschung umstritten. In einer berühmten Studie hat Norbert Elias (1939) die These vertreten, dass der Zivilisationsprozess auf einem zunehmenden Aufbau der "Schamschwelle" beruhe. Demnach sei für alle frühen Zivilisationsstufen Nacktheit unproblematischer als für spätere, was sich an den überwiegend nackten Statuen der Antike denn auch zeige, insbesondere in Dionysos-Darstellungen, für die sogar ein erigierter Penis nicht ungewöhnlich war.

Heftigen Widerspruch hat Elias insbesondere von Hans-Peter Dürr (1988) erfahren. Und in der Tat ist die Sachlage komplizierter als Elias sie darstellte. So gab es bei den Griechen zwar viele Statuen nackter Männer, die mehr als die Frauen das Schönheitsideal verkörperten. Frauen aber wurden nur selten unbekleidet dargestellt. Auch die berühmte Aphrodite von Knidos war in ihrer ursprünglichen Gestalt vollständig bekleidet. Die unbekleidete Version, die ihr Schöpfer Praxiteles seinen Auftraggebern zur Auswahl mit angeboten hatte, wurde als zu anstößig zurückgewiesen, obwohl auch hier alle Insignien der Schamhaftigkeit zu sehen sind: Die Göttin, die sich gerade für ein rituelles Bad bereitmacht, das ihre Jungfräulichkeit wiederherstellen soll, bedeckt ihren Schoß mit der rechten Hand, und historischen Berichten zufolge soll ihr Gesicht purpurfarben gewesen sein, "als ob es über seine Nacktheit erröte" (von einer hält schützend die Hand dann für den Aphrodite-Tempel in Knidos die unbekleidete Variante schuf, soll diese laut historischer Überlieferung als derart skandalös gegolten haben, dass die Statue in einen Rundbau eingeschlossen werden musste. Wie die Überlieferung weiter berichtet, soll ein junger Mann sich nachts des Schlüssels bemächtigt und an der Statue erregt haben, wovon ein Fleck an deren Hinterteil fortan zeugte. (#)

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