Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

7. Der Orpheus-Mythos und die Orphik

7.3 Der Schamane

Merkmale des Schamanismus nach Eliade (1975: 372)
• durch Musik sich (und ggf. andere) in Trance versetzen
• den eigenen Körper verlassen ("Schamanenritt", Ekstase/Enstase)
• die Seele eines Verstorbenen aufsuchen / zurückholen

 Ovid: Metamorphosen, Buch X

Hermes, Eurydike, Orpheus beim Gang durch die Unterwelt. Nachbildung eines Grabplattenreliefs aus dem späten 5. Jh. v. Chr. Louvre Ma 854.
Quelle: http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/image?lookup=1992.04.0429&type=sculpture

7.3 Der Schamane

Das zentrale Narrativ ...

Nach Eric Robertson Dodds (1970: 82), wurde die ekstatische Geheimlehre der alten Welt durch „drei große Schamanen“ geprägt: Durch Pythagoras, Empedokles und insbesondere Orpheus.

Merkmale des Schamanismus

lateinisch transitus = Ãœbergang

Unter anderem klagt er so bewegend über den Verlust seiner Geliebten, daß ihr Erinnerungsbild lebendig wird: Er kann Eurydike aus dem Hades zurückholen.
Das älteste bildliche Zeugnis der Sage von Orpheus' Gang in die Unterwelt ist das Original zu dieser Nachbildung einer Grabplatte aus dem späten 5. Jahrhundert v. Chr.

Auch die Herren der Unterwelt schließlich zeigen ein ungekanntes Erbarmen, als Orpheus ihnen vom Verlust seiner Eurydike singt; er klagt so bewegend, daß sie ihm die Schwelle zum Jenseits öffnen, wo er seiner Geliebten wiederbegegnet. Dieses Motiv[38] kann als mythische Umschreibung für das ek-statische Heraustreten aus den Bedingungen des körperlichen Daseins gedeutet werden, die sich nach Dodds aus dem schamanistischen Seelenritt herleitet: „Wie die Schamanen überall, unternimmt [Orpheus] eine Wanderung in die Unterwelt, und sein Motiv dabei ist unter Schmanenen sehr verbreitet: Er will eine geraubte Seele zurückholen.“[39]

Das Verbot des Umblickens taucht zwar erst bei Vergil auf, dürfte aber eine Interpretation älterer Quellen über die Macht der Musik sein, die die sichtbare Welt transzendiert.
In Ovids Version der Geschichte heißt es explizit, daß die reanimierte Eurydike solange folgt, wie Orpheus nicht versucht, ihrer im Bild habhaft zu werden – "avidus" (Met. X, 56), also "gierig, habsüchtig" ist das Attribut, mit dem Ovid den tabuisierten Blick charakterisiert. Nur virtuell, als Schatten, ist das Erinnerungsbild lebendig, wie etwas in diesem Inszenierungsbeispiel illustriert.

 

 

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