Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

1. Physiologie des Hörens

1.4 Klang und Kognition

Die vom ökonomistischen Effizienzdruck hervorgetriebenen Lernmethoden, die sich am Leitbild der Konditionierung orientieren, versuchen neuerdings auch, ein populärwissenschaftliches Verständnis neurophysiologische Befunde über die kognitiven Effekte des Musikhörens für sich zu nutzen.

Eine dieser kognitiven Konditionierungs-Methoden ist das sogenannte "Superlearning", eine Form des Gedächtnistrainings, das musikalische Mittel zur Erzeugung von physiologischen Zuständen einsetzt, die als günstig für Lernprozesse gelten. Als hilfreich gilt Musik, die insbesondere folgende Charakteristika aufweist:
• etwa 60 Taktschläge pro Minute
• Frequenzen oberhalb von 2000 Hertz

Zu den "Klassikern" des Superlearning gehört daher zum Beispiel das Largo aus "Der Winter" von Antonio Vivaldi. Angeblich vermag solche Musik die Behaltensquote um 24-26% zu erhöhen (nach Ostrander/Schroeder 1991: 164).

Ebenfalls in der Konditionierungs-Didaktik populär geworden ist der sogenannte "Mozart-Effekt". Das Experiment, auf das dabei Bezug genommen wird (Rauscher/Shaw 1993), ist auf der Folie nachgestellt. Den Autoren zufolge müssten Sie beim Intelligenztest nach dem Hören von Mozart 8–9 IQ-Punkte besser abschneiden
als mit den anderen Vorbereitungsoptionen. Obwohl der (mit nur 36 Vp. erhobene) Befund in keiner der zahlreichen Meta-Studien reproduziert werden konnte, wurde er unter dem Namen "Mozart-Effekt" von dem Musikjournalisten Don Campbell (1997) so erfolgreich vermarktet, dass er in die populistische Lernpsychologie und Bildungspolitik Einzug hielt. Laut Wikipedia verodnete der "Gouverneur von Georgia, dass jede Mutter eines Neugeborenen eine Klassik-CD geschenkt bekomme. Und in Florida wurde gesetzlich erlassen, dass in öffentlichen Kindergärten täglich eine Stunde Klassik gehört werden sollte" (de.wikipedia.org/wiki/Mozart-Effekt 20.6.2014).

Die meisten Musikpsychologen sind sich heute einig, dass für die kognitiv anregende Wirkung von Musik weniger bestimmte Genres und Kompositionsstile als vielmehr der "Präferenzeffekt" (Reinberger 2012) entscheidend ist, also die größere Bereitschaft, sich auf Musik einzulassen, die dem eigenen Geschmacksmuster entspricht.

Hierzu wurde im SS 2015 eine Untersuchung mit 162 Studierenden durchgeführt (1.4.1).

Damit ist freilich nicht gesagt, dass es keine Rolle spiele, welche Art von präferierter Musik gehört wird, um bestimmte kognitive Wirkungen zu erzielen. Insofern bleibt die Tabelle auf Folie 1.3 tendenziell gültig.

1.4 Klang und Gehirn1.4 Klang und Gehirn
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