Peter Matussek

Historische Anthropologie der Animationstechnik

3. Phänomenologie der Bewegung

3.3 Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung

Das Denken der Bewegung als Zerstörung der Bewegung

§ 24. Das Denken der Bewegung als Zerstörung der Bewegung

§ 8. "Doppelempfindungen", der Leib als affektiver Gegenstand und "kinästhetische Empfindungen"

§ 12. Die "konkrete Bewegung"

 


"Von einem Ding sage ich, daß es bewegt wird, aber mein Körper bewegt sich, meine Bewegung entfaltet sich. Sie ist aber nicht im Ungewissen, ist sich gegenüber nicht blind, sie strahlt aus einem 'sich' heraus." (Merleau-Ponty 1916, S.16)

3.3 Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung

Merleau-Ponty knüpft an Überlegungen Bergsons und der Gestalttheorie an.
In seinem Hauptwerk „Phänomenologie der Wahrnehmung“ (1945) setzt er sich wie Bergson mit em Zenonschen Paradix auseinander, in das man gerät, wenn man Bewegung als Abfolge von Momentaufnahmen beschreiben wollte. Denn:
"Selbst wenn man mathematische Instrumente erfindet, die einer unendlichen Mannigfaltigkeit von Positionen und Augenblicken Rechnung zu tragen gestatten, so wird doch nie in einem identischen Beweglichen der Akt des Übergangs selbst erdenklich, der immer zwischen zwei Augenblicken und zwei Positionen ist, so nahe einander man sie auch wählen mag. Suche ich dergestalt die Bewegung klar und deutlich zu denken, so vermag ich nie zu verstehen, dass Bewegung je für mich zu beginnen und mir als Phänomen gegeben zu sein vermag." (S. 313, mit Bezug auf Zenon)
–> Kurz: „Das Denken der Bewegung“ (im Sinne raumzeitlicher Kategorien) erweist sich „als Zerstörung der Bewegung“.
Und mit Bezug auf die Beschreibung der Bewegungsillusion nach Wertheimer (1912) konstatiert Merleau-Ponty:
„ "Die Wahrnehmung der Position steht also im umgekehrten Verhältnis zur Wahrnehmung der Bewegung" (Merleau-Ponty 1945, S. 313)
Den Ankerpunkt aller Wahrnehmungsphänomene, die sie für mich zur Wirklichkeit machen, sieht MP in der leiblichen Erfahrung.
Der Begriff des Leibes ist dadurch dafiniert, dass er eine weder nur körperliche noch eine nur geistige Erfahrungsrealität bietet, sondern aus beidem zusammengesetzt ist. Dass er mir nicht als bloßer Gegenstand erscheint, sondern eine besondere Qualität der Selbstwahrnehmung (quais reflexiv) mit sich bringt, wird an der sogenannten „Doppelempfindung deutlich:
"Mein Leib, so pfelgt man zu sagen, ist an den ‚doppelten Empfindungen’ zu erkennen, die er mir gibt: Berühre ich meine rechte Hand mit der linken, so hat der Gegenstand rechte Hand die Eigentümlichkeit, auch seinerseits die Berührung zu empfinden." (S. 118)
Das Betasten und die Erfahrung, betastet zu werden, treten gleichzeitig auf.
So ist der Leib mein ständiger begleiter, der stets registreirt, was mir widerfährt.

Was die leiblich wahrgenommene Bewegung von der bloß raumzeitlich vorgestellten unterscheidet, ist ihre Konkretion.
Während die abstrakte Beschreibung einer Körpergeste den Vorgang in eine Bewegung und ein Ziel zerlegen würde, geschieht sie konkret in der Weise, dass der Leib sich im Bewegungsimpuls selbst das Ziel gibt. Es handel sich, schreibt MP,
"... eine vom Leib selbst geleistete antizipierende Erfassung des Bewegungsziels, ... einen 'Bewegungsentwurf', eine 'Bewegungsintentionalität', ohne die jede Anweisung toter Buchstabe bleibt." (S. 136)
Das Gesagt ässt sich leicht verifizieren, wenn man z.B. versucht, die Geste des Scih-auf-einen stuhl-setzens in eine Reihe von Bewegungskomandos zu zerlegen.
Aufforderung zu mechanischer Handlungsdirektive

In einem anderen Text unter dem Titel das Auge und der Geist resümiert MP diese Differenz folgendermaßen:
"Von einem Ding sage ich, daß es bewegt wird, aber mein Körper bewegt sich, meine Bewegung entfaltet sich. Sie ist aber nicht im Ungewissen, ist sich gegenüber nicht blind, sie strahlt aus einem 'sich' heraus." (Merleau-Ponty 1916, S.16)

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