Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

0. Einführung

0.1 Woher kommt das Wort "Klang"?

Auszüge aus dem Artikel "Klang". In: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (1838 ff.).
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klang, sonus, sonitus; mhd. klanc (daneben auch klinc und klunc).

1) äußerlich, eigentlich
ein heller und hallender ton, wie ton und laut auch allgemein für sonus gebraucht.
von gesang und stimme, von musikinstrumenten, glocken, schellen u.ä.

2) innerlich, dem Inhalte nach
wie das hören selbst ein doppeltes ist, ein äuszeres und ein inneres, so kann auch klang von dem schalle, der dem ohre angehört, übergehen zu dem inhalte, den er mitführt.
in bezug aufs gemüt: der klang der wehmuth; freudenklang, sehnsuchtsklang, u.ä.

 

0.1 Woher kommt das Wort "Klang"?

Die Wissenschaft, die sich mit der Herkunft von Wörtern beschäftigt, nennt sich Etymologie – von griech. étymos = wahr und logos =Wort – betrifft also, buchstäblich übersetzt, "das Suchen nach dem jedem Wort innewohnenden Wahren" – Pfister 1980: 9).

Das umfangreichste und gründlichste Nachschlagewerk zur deutschen Etymologie ist das Deutsche Wörterbuch, das von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm 1838 begründet wurde und bis heute fortgesetzt wird (inzwischen auch online unter http://dwb.uni-trier.de/de/). Im oberen Teil der Folie finden Sie einen Auszug aus dem Artikel "Klang" sowie einen Link zum Download des kompletten Artikels.

Bemerkenswert ist zunächst, dass die Wortherkunft hier auf das lateinische sonus zurückgeführt wird, obwohl lat. clangor lautlich ähnlicher ist, abgeleitet aus dem griech. klaggé (neugr. Aussprache klangé), das vorrangig "Schall" bedeutet und sich im englischen Wort clanc bzw. clang erhalten hat, wogegen wir ja "Klang" nicht damit, sondern mit sound übersetzen – was weit mehr als nur "Schall" bedeutet (s. Tabelle unten).

Des weiteren konstatiert der Wörterbuchartikel eine grundlegende Doppelbedeutung des Wortes "Klang": Die Unterscheidung in "äußerliche" und "innerliche" Bedeutungen verweist auf die fundamentale Differenz der beiden Perspektiven, aus denen wir Gegenstände der Wahrnehmung betrachten können, nämlich zum einen aus der Perspektive eines objektiven Beobachters, der die Eigenschaften des Wahrgenommenen beschreibt, zum anderen aus der Perspektive eines erlebenden Subjekts, das den Inhalt des Wahrgenommenen deutet. In die erste Gruppe von Verwendungsweisen des Wortes "Klang" gehören also Aussagen wie z.B. "Der Klang dieser Glocke ist laut, metallisch, voll, scheppernd etc.", in die zweite Aussagen wie "Der Klang der Glocke kündet von heiler Welt, erinnert an die Kindheit, schafft eine Atmosphäre der Vertrautheit etc." Für die Kulturwissenschaften, zu denen auch die Medienwissenschaft gehört, sind beide Perspektiven wichtig. Während die Naturwissenschaften sich im Bemühen um Objektivität nur auf die erste konzentrieren, indem sie das Zustandekommen und die Eigenschaften von Klängen zu erklären suchen, wollen die Kulturwissenschaften verstehen, wie Klänge erlebt werden, wie sie sich auf das Lebensgefühl von Individuen und Kollektive auswirken und welche Bedeutungen sie in verschiedenen kulturellen Kontexten annehmen. Ich komme auf diese wichtige Unterscheidung in der Einleitung zum Abschnitt 'Klangwahrnehmung' zurück.

Hier sei zunächst festgehalten, dass die Begriffe "Klang" und "Ton" in den Natur- und Kulturwissenschaften unterschiedliche Bedeutungen haben (s. Tabelle unten rechts). So bezeichnet die physikalische Akustik mit dem Wort "Klang" dasjenige, was in der Musikwissenschaft "Ton" heißt, und mit dem Wort "Ton" etwas, das in der Alltagswelt gar nicht vorkommt, nämlich eine regelmäßige Schallwelle, den Sinuston. Die Musikwissenschaft wiederum bezeichnet mit "Klang" vornehmlich das simultane Auftreten mehrerer Töne, um die Wirkungen zu untersuchen, die unterschiedliche Konstellationen der Einzeltöne im Hörerleben auslösen (z.B. "C-Moll-Dreiklang").

I. KlangwahrnehmungI. Klangwahrnehmung
SprechblaseSprechblase
Fragezeichen